Heidi Mäge
Es war Dezember 2018, kurz vor Weihnachten. Ich hatte Ohren- und Halsschmerzen und konnte ohne lindernde Schmerztabletten nicht mehr schlucken, nichts mehr essen und trinken. Jede Nacht lag ich wach und nassgeschwitzt in meinem Bett. Eine starke Grippe? Das war meine Vermutung. Aber nein, beim HNO Termin Ende Januar wurde ein Tumor vermutet. Knallhart kam es aus dem Mund des Arztes.
Keine Grippe, sondern Krebs
So lief ich zur Bushaltestelle, ich wollte nur noch nach Hause. Einige Male schaute ich auf. War ich überhaupt im richtigen Bus? Daheim stand mein Telefon nicht still, ich musste den Verdacht des HNO Arztes erzählen, um mir Luft zum Atmen zu verschaffen. Mein größter Zuhörer war und ist meine Tochter. “Mama”, war ihre Antwort, “warten wir ab, was die Ärzte in der Klinik mit uns besprechen”. So kamen für mich und meine Angehörigen weitere schlaflose Nächte aufgrund der Ungewissheit hinzu. Es wurden im Halsbereich einige Gewebeproben entnommen und auf vorhandene Krebszellen untersucht. Dann kam der entscheidende Tag in der Klinik. Meine Tochter und ich saßen vor dem Arzt, hielten uns ganz fest an den Händen.
Wir hörten den Arzt sagen, dass es Krebs ist und der Kehlkopf entfernt werden muss.
Es donnerte durch meinen Kopf: Was jetzt? Was dann? Nie mehr sprechen? Fürchterlich! Nicht auszudenken!
Im April 2019 kam dann der große Tag. Morgens um 8 Uhr holte man mich in den OP Saal. Meine letzten Worte aus vollem Hals und dann schlief ich ein. Als ich die Augen wieder öffnete, hörte ich immer wieder meinen Namen rufen. Wo bin ich, was war geschehen? Geräte tickten und Schwestern huschten vorbei. Dann kam ich auf die Station. Mein Kopf war leer.
Ich hatte tausend Fragen, aber ich konnte nicht mehr sprechen.
Ich musste alles aufschreiben, um mich zu verständigen. Mit geblockter Kanüle und stark verschleimt musste ich immer wieder abgesaugt werden und ich wusste nicht, wie das alles weitergehen soll. Da ging plötzlich die Türe auf und meine Tochter stand vor mir. Wir streichelten uns und weinten beide.
“Mama”, sagte sie, “wir schaffen das. Gib die Hoffnung nicht auf, ich habe alles in die Wege geleitet.”
“Du hast jetzt eine PEG und wenn du nach Hause kommst, dann gibt es auch dort künstliche Nahrung für dich sowie alle Utensilien zur Stomaversorgung”, versicherte mir meine Tochter. Einige Zeit später wieder ein sehr aufregender Tag für mich. Ich bekam eine normale Kanüle und musste einen Schlucktest machen, um zu sehen, ob ich jemals wieder normal essen und trinken kann. Ich war überglücklich als alles in meinem Magen und nichts in die Lunge lief.
Ich durfte endlich wieder essen - jetzt wurde gefeiert!
Ich durfte endlich wieder essen! Ich umarmte den Arzt und freute mich auf feste Nahrung. Jetzt wurde gefeiert, meine Familie kam mit Campingkocher, Weißwürsten, Brezen und Bier angereist. Wir schlemmten nach Lust und Laune. Ich schwebte auf Wolken, so schön war das!
Im Juli 2019 kamen noch 33 Bestrahlungen hinzu. JedenTag, an dem ich bestrahl wurde, schnitt ich vom Metermaß einen Zentimeter ab. Dann kam mein Tag und ich durfte nach Hause - geheilt vom Krebs.
Geheilt vom Krebs durfte ich nach Hause
Kurze Zeit später erhielt ich eine Einladung zu einem Stimmseminar vom Verein der Kehlkopflosen, um endlich mit meinem Stimmventil sprechen zu lernen. Natürlich wollte ich dabei sein und alles geben, um mich endlich wieder verständigen zu können. Und ich erlernte innerhalb von acht Tagen zu sprechen! Was für ein Glücksmoment! Nicht mehr schreiben zu müssen, sondern einfach wie früher drauf los sprechen! Ich bin bei meinen Mitmenschen wieder angekommen. Meine liebe Familie steht fest hinter mir und macht mir immer wieder Mut.
In 8 Tagen habe ich gelernt zu sprechen!
Liebe Leserin, lieber Leser, gebt die Hoffnung nie auf, denn es gibt immer Wege und Mittel! Kämpft um euer Leben - so werdet auch ihr ein Sieger über euer Schicksal sein! Genießt die Tage im Kreise eurer lieben Mitmenschen und verliert nie den Mut. Schaut immer nach vorne!
Alles Gute,
Adelheid Mäge